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Im Alter wird Gesundheit wichtiger

Ältere Frauen machen Gymnastik

Interview mit der Professorin für Gerontologie Martina Schäufele.

Ein Experten-Gespräch rund um Alkoholkonsum im Alter

Wie kommt es, dass Männer und Frauen im fortgeschrittenen Alter weniger riskant Alkohol trinken? Und warum sind Hausärzte so wichtig beim Thema Prävention? Darüber haben wir mit Martina Schäufele gesprochen. Sie ist Professorin für Gerontologie und Soziale Arbeit – insbesondere mit älteren Menschen – an der Hochschule Mannheim und sagt: Wer mit über 60 alkoholabhängig ist, hat mindestens genauso gute Chancen auf einen Therapieerfolg wie jüngere Menschen.

Frau Prof. Schäufele, Studien haben ergeben, dass der riskante Alkoholkonsum mit dem Alter zurückgeht. Werden wir im Laufe unseres Lebens vernünftiger?

Das wissen wir nicht sicher. Wir haben im Grunde nur Anhaltspunkte dafür, warum Menschen im Alter Alkohol weniger riskant konsumieren. Studien legen  zum Beispiel den sogenannten Sick-Quitter-Effekt nahe. Mit steigendem Alter nehmen gesundheitliche Beschwerden und Krankheiten zu, so dass viele Menschen deshalb den Alkoholkonsum einstellen oder deutlich reduzieren.

Zudem reagiert der Körper mit zunehmendem Alter sensibler auf Alkohol. Schwindel, wiederholte Stürze – manche merken den Effekt sofort. Sie spüren, dass sie schwächer werden und ihnen der Alkohol nicht guttut. Das alles veranlasst viele ältere Menschen, weniger oder gar keinen Alkohol mehr zu trinken, auch wenn sie vorher missbräuchlich konsumiert haben.

Nicht zu vergessen ist, dass Menschen, die über Jahre und Jahrzehnte schweren Alkoholmißbrauch betrieben haben, das höhere Alter oft gar nicht erreichen.

In der Gruppe der Über-60-Jährigen ist riskanter Alkoholkonsum oft mit Faktoren verbunden wie höherem Einkommen, höherer Bildung und höherem sozialen Status. Wie kommt das?

Ganz einfach gesagt: Die können es sich finanziell leisten. Außerdem sind diese Menschen häufig gesünder, unter anderem weil sie im Schnitt medizinisch besser versorgt sind, als solche mit einem niedrigeren Einkommen. Das heißt, sie können sich das riskante Trinken auch deshalb erlauben, weil sie von den negativen Folgen – aufgrund besserer Gesundheit – nicht so stark betroffen werden wie andere.

Was sind Ursachen dafür, dass auch Menschen über 60 noch süchtig werden?

Die Gruppe ist klein und wissenschaftlich nicht gut untersucht. Man kann aber sagen, dass eine Alkoholabhängigkeit im Alter häufig mit Verlustereignissen einhergeht. Also zum Beispiel damit, dass jemand seinen Partner oder seine Partnerin verloren hat. Betroffen sind auch Menschen, die in ihrem Berufsleben bedeutende Positionen innehatten und diese verlieren, wenn sie in Rente gehen. Wobei man sagen muss, dass bei weitem nicht jeder Rentner anfängt zu trinken. Die meisten genießen den Ruhestand bzw. suchen sich neue Aufgaben, zum Beispiel in einem Verein.

Studien zeigen, dass die Erfolgschancen von Therapien bei älteren Menschen genauso hoch, teilweise sogar höher sind als bei jüngeren. Woran liegt das?

Möglicherweise spielen hier das körperliche Wohlbefinden und das Bewusstsein eine Rolle, dass die verbleibende Lebenszeit begrenzt ist. Die Betroffenen sind motiviert, weil ihnen dieser Lebensabschnitt zu wertvoll erscheint.

Trotzdem gibt es weiterhin Suchteinrichtungen, die Menschen ab 60 Jahre nicht oder ungern behandeln.

Das stimmt. Es herrscht leider immer noch oft die Meinung vor, dass Ältere ihr Verhalten nicht mehr ändern können. Außerdem spielt die Psychotherapie für Ältere im Studium und in der Therapeutenausbildung kaum eine Rolle. Aber da passiert jetzt langsam etwas. Ältere Alkoholabhängige brauchen nämlich ein eigenes Therapieangebot. 

Inwiefern?

Das ist unter anderem eine Frage der Themen. Bei den Älteren stellen sich ganz andere Lebensfragen als bei den Jüngeren, sie sind in einem anderen Stadium ihres Lebens. Außerdem geht man bei älteren Patienten weniger konfrontativ vor, als man es vielleicht bei jüngeren machen würde. Bei den Älteren ist es wichtig, ihre Lebensleistung anzuerkennen. Sie haben schon einiges erlebt und erreicht und möchten, dass das wertgeschätzt wird.

Wo kann man die Älteren gut erreichen, um Alkoholmissbrauch in diesem Lebensabschnitt vorzubeugen?

Bei Ihrem Hausarzt. Wir haben dazu in erster Linie Studien aus den USA. Die zeigen aber, dass die Allgemeinarztpraxen wichtige Schaltstellen sind. Da reichen dann oft schon Kurz-Interventionen.

Was bedeutet das?

Der Hausarzt sieht zum Beispiel anhand von Laborwerten, dass etwas nicht stimmt und rät dem Patienten, weniger Alkohol zu konsumieren oder ihn ganz wegzulassen. Und schon haben Sie wieder die Verbindung zum Thema Gesundheit, für das Ältere eher empfänglich sind. Außerdem haben viele ältere Menschen eine lange und vertrauensvolle Beziehung zu ihrem Hausarzt.